Souveräne Haltung

Zen Tipps, wie du dich selbst aus dem größten Schlamassel befreist

Wofür ist das alles gut?

Mir ging gerade ein Licht auf. Wofür ist diese Unordnung, dieses Chaos, dieser Lärm gut, den ich für mehr als fünf Monate aushalten muss?

Auch das noch…

Aushalten und Leiden ist das genaue Gegenteil von einer besonnenen Haltung. Und die habe ich angesichts größerer Baumaßnahmen im und am Haus zwischenzeitlich immer wieder verloren. Dadurch, dass ich mir während dieser Zeit auch noch den kleinen Zeh gebrochen habe, war ich noch mehr ans Haus „gefesselt“. Mir fehlte der Abstand. Vielleicht war das nötig, damit ich etwas lerne. Und ich hab so einiges gelernt.

Aussteigen

Mein gebrochener Zeh hat mich vor dem größten Lärm bewahrt: Statt eines mehrtägigen Kreissägenkonzerts bin auf ein Retreat gefahren und habe Zeit in Stille verbracht.
Wieder zurück, nahm ich alles intensiver wahr. Dreck, Lärm, Chaos. Das Gefühl, alle trampeln auf mir herum. Puh. Mein innerer Zen-Meister meint wohl, sich einfach so aus der Affäre zu ziehen ist etwas für Anfänger.

Ich erkannte: So wirr und chaotisch wie im Außen, sah es an manchen Tagen in meinem Inneren aus. Ich war planlos, uninspiriert und unfähig, mich zu konzentrieren. Um der Unordnung etwas entgegenzusetzen, habe ich entrümpelt, ausgemistet, neu geordnet, geputzt und mir einen Happy Place eingerichtet. Inspiriert dazu wurde ich in einem Kurs meiner geschätzten Bloggerkollegin und Raumexpertin, Maria Husch. Dabei habe ich viel losgelassen von dem, was mich schon Jahrzehnte belastet: Dinge, die meinen Eltern gehörten und die ich mich bisher nicht traute, zu entsorgen. Kennst du das auch?

Loslassen kostet Kraft. Festzuhalten noch viel mehr

Wenn du meinst, im Zen Kloster geht es gemütlich zu…

dann täuscht du dich. Du bekommst genau das was du brauchst, um zu deinem Kern zu kommen. Vielleicht bekommst du, wenn dein Leben von Zeitdruck geprägt ist die Aufgabe, zur Stoßzeit im Supermarkt einzukaufen und pünktlich wieder zurück zu sein. Dabei in der Warteschlange vor der Kasse nicht zu verzweifeln kann eine ganz schöne Herausforderung sein.

Mein jüngerer Sohn ist ausgezogen, als die Baumaßnahmen begannen. Und er hat alles, was er nicht mehr wollte oder gebrauchen konnte einfach stehen gelassen. Erst nach einer klaren Ansage, fuhr er mit einem Freund eine große Wagenladung zum Wertstoffhof. Und dennoch warten mehrere Kisten voll Inventar darauf, dass er sie nach und nach abholt.
Hier habe ich noch Lernbedarf, gelassen zu bleiben und dennoch meine Bedürfnisse klar zu kommunizieren.

Was meine Sachen anging, war ich rigoros. Wie nie zuvor in meinem Leben, entwickelte ich einen geradezu sportlichen Elan in der Disziplin „Ab in die Tonne“. Das Resultat meiner Entrümpelungsaktionen war zwiefach: Einerseits war ich abgelenkt und mich von Dingen zu trennen tat mir gut, ich fühlte mich im Fluss. An anderen Tagen war ich erschöpft. Ich bin krank geworden und unleidig gegenüber meinem Mann, der sich erst belustigt dann aber zunehmend erfreut zeigte an meinem „Ordnungswahn“, sich aber nicht wirklich beteiligte.

PutZEN & TanZEN

Ich nahm ihm manchmal übel, dass er zum Tango ging und mich allein im Chaos zurückließ. Ich war missgestimmt und anstrengend. Lies auch Jammern für Profis. An anderen Tagen verstand ich, dass dies mein Lernerlebnis ist und, dass ich die Verantwortung nicht abgeben kann. So habe ich ihm seine Erfahrungen beim TanZEN gegönnt und freute ich mich darauf, abends Zeit für mich zu haben um Ordnung zu schaffen. Alte Unterlagen. Wäscheschrank. Küche. Bad…

Dabei bin ich auch auf Schätze gestoßen. So habe ich zum Beispiel vor Jahren schon, als noch niemand von Compliance sprach, von einer überaus dankbaren Kundin ein Porzellanservice geschenkt bekommen. Originalverpackt verstaubte es über die Jahre im Schrank. Ich hatte vor, es meinem älteren Sohn zu schenken, wenn er sich eine eigene Wohnung einrichtet. Obwohl es ihm gefiel hat er sich letztlich doch für ein anderes Geschirr entschieden. Jetzt, mit zugegeben deutlicher Verzögerung, freue mich über die Wertschätzung, die ich damals wohl nicht annehmen konnte.
Kannst du Wertschätzung annehmen?

Was wäre Zen?

Alles wurde noch übler, als die Glaser anrückten und unsere Fenster erneuerten. Das hat mich so beeinträchtigt und war so schlimm, dass ich mich an eine ganz besondere Yogastunde erinnerte: Im Raum ein kollektives Ächzen und Stöhnen, die Asana war mehr als unbequem und dennoch ließ uns die Yogalehrerin eine gefühlte Ewigkeit in dieser Position verharren. Sie war streng und ließ Mogeleien nicht durchgehen:
Yoga bedeutet nicht, etwas auszuhalten, Yoga ist eine Haltung. Innerlich wie äußerlich. Aushalten bedeutet Leiden. Haltung bedeutet Stärke – Willensstärke.“ Sie ließ auch nicht zu, dass wir gedanklich abschweiften. „Wo bist du gerade?“ 

Souveränität steht nicht nur Königinnen gut

Und genau diese innere Haltung während der nun schon vier Monate dauernden Baumaßnahmen zu bewahren hat mich an meine Grenzen gebracht. Keine gestrenge Yogalehrerin, kein Zenmönch standen mir beiseite. Es galt, mir selbst Meisterin zu sein. Oder zumindest diese Qualität in mir zu entwickeln.

In eine aufrechte Haltung kommst du, wenn du einen Energiepunkt aktivierst. Gib deinen Mundwinkeln mit deinen Fingern sachte die Information „nach oben“ – dabei nimmst du unwillkürlich Haltung ein und machst gute Mine zum scheinbar bösen Spiel.

Du willst mehr davon? Überaus wirksame Tipps für deine Haltung – innerlich wie äußerlich – findest du in Fülle in meinem Buch: Wenn Tango Leiden schaf(f)t.  Denn: Was für eine Tänzerin essenziell ist, kann auch dir großen Nutzen bringen.  

Und nun, da für den Maler mehrere Zimmer ausgeräumt sind, wir auf Vorhänge und Jalousien warten, auf dem Boden schlafen und das Chaos schier unerträglich scheint, hatte ich mein Krönungserlebnis. Im Zen gibt es Meditationsaufgaben, Koans, das sind unlösbare, paradoxe Aufgaben, die den Übenden bis an die Grenze seines Denkens führen. Die Lösung liegt jenseits des normalen Intellekts.

Auf tieferer Ebene verstand ich plötzlich: Souveränität steht nicht nur Königinnen gut.

Die Krönung

Mir wurde klar, dass es dazu eine klare Entscheidung braucht. Statt sich zusammenzureißen, gilt es Haltung oder „Königinnensprech“: Contenance einzunehmen. Nicht zähneknirschend alles über sich ergehen lassen, sondern BeSONNENheit an den Tag zu legen. Im Zen spricht man von Nicht-Anhaftung. Im Westen spricht man vom Lotuseffekt, nämlich der Qualität der im Morast wachsenden Lotuspflanze, allen Dreck majestätisch abperlen zu lassen.

Souveränität: Allen Dreck majestätisch abperlen lassen

Und das will ich auch. Ich will nicht länger zulassen, mein Inneres durch äußere Umstände beschmutzen zu lassen. Und ja, Contenance heißt, sich abzugrenzen vom Opferbewusstsein, das sich auf so fiese Weise immer wieder Zutritt in unsere Gemüter verschaffen will. Yesss!

Kennst du dein WARUM?

Schließlich brauche ich meine Kraft und Konzentration für mein neues, unglaublich weibliches, schönes, lehrreiches und gleichzeitig verrücktes Projekt, das kurz vor der Vollendung steht. Denn worauf wir unseren Fokus richten, das ziehen wir an. In wenigen Tagen lasse ich dich in meine Karten sehen. Du darfst gespannt sein. Und das ist auch meine wichtigste Erkenntnis: Um eine souveräne Haltung einzunehmen, brauchst du ein WARUM. Denn wenn du nicht eine starke Verbindung zu deinem Lebenstraum hast, kannst du dich bestenfalls zusammenreißen.

Auf den Stöckel gebracht:

Wenn du eine Gewinnerin sein willst, dann schau genau hin, was dich aufhält. Arbeite damit. Entscheide dich, ob du dein Ungemach weiter als Ausrede oder vielmehr als Wachstumsprozess nutzen willst. Wenn du unter einer Situation leidest, dann deshalb, weil du durch deine Aufmerksamkeit darauf immer mehr davon kreierst.
Und: Verliere auch im größten Chaos deine Weiblichkeit nicht. 

Alles Liebe

Birgit

Wie gehst du mit scheinbar untragbaren Situationen um? Schreib einen Kommentar.

17 Kommentare
  1. Gabi sagte:

    Hallo Birgit
    mit los lassen habe ich Probleme wenn es um Menschen geht – Freunde, wo es nichts mehr zu sagen gibt. Bei Fotos, Dingen, Kleidung geht es sehr gut (Ausnahme: Ein roter Hosenanzug aus San Francisco 25 Jahre alt)Nur wenige wichtige Dinge hebe ich auf. Es gab Zeiten, da habe ich viel Chaos aushalten müssen, die sind vorbei und haben mich stark gemacht, weil ich sie einfach ausgehalten habe. Stoisch! Wenn hin und wieder Chaos ausbricht in meinem Umfeld, denke ich – auch das geht vorbei ! Liebe Grüße Gabi

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Gabi,
      beim Hosenanzug aus San Francisco täte ich mir wahrscheinlich auch schwer. Ansonsten merke ich, dass mir Entrümpeln immer gut tut. Momentan räume ich meine E-Mails auf.
      Liebe Grüße – Birgit

      Antworten
  2. Susanne sagte:

    Liebe Birgit
    Vielen Dank einmal mehr für diesen super Artikel.
    Dieser Artikel triggert mich ganz schön, denn es ist mein Thema; sammeln und aufbewahren! Ich mag diesen Punkt gar nicht an mir und trotzdem fange ich nicht an auszumisten und los zulassen. Ich müsste mal zwei Wochen oder noch mehr Ferien nehmen, dass ich meine ganze Wohnung entrümpeln könnte, uff!
    Dein Artikel gefällt mir „trotzdem“ und was ich mir merken möchte: Aushalten bedeutet Leiden. Haltung bedeutet Stärke!
    Somit sollte ich vorerst meinem Sammelsurium-Chaos mit mehr Haltung entgegen treten, dann ist meine innere Haltung mir gegenüber auch gleich freundlicher 🙂
    Vielen Dank!
    Alles Liebe
    Susanne

    Antworten
  3. Dhaara Volkmann sagte:

    Hi Birgit,
    was für einen tollen lebensnahen und lebensbejahenden Text du geschrieben hast! Vielen Dank dafür!
    Der eine oder andere Satz wird mich sicherlich noch eine Weile begleiten…
    Was mich regelrecht begeistert hat, ist dein Knopfkommentar! Herrlich! Ich bin ebenfalls gerade am Ausmisten — und habe meine langjährige Knopfsammlung ganz selbstverständlich ausgelassen. Das werde ich jetzt sofort andern…. Danke dafür!
    Dhaara

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Dhaara,
      da ist uns sozusagen der Knopf aufgegangen
      Freut mich, dass ich dich inspirieren konnte. Danke für das Wort „lebensbejahend“. Knöpfe sammeln ist definitiv eher das Gegenteil davon.
      Alles Liebe
      Birgit

      Antworten
  4. Dagmar sagte:

    Liebe Birgit,
    Ein wunderschöner Artikel den du da geschrieben hast!!! Das Loslassen von Ballast habe ich seit 2 Jahren praktiziert und dies hat mir manch befreienden Moment beschert und viele Erkentnisse 🙂
    Dieses Jahr lerne ich nun auch Loslassen und Vertrauen auf mentaler Ebene. Mal gelingt es besser mal bin ich Übende 🙂 Aber wir sind ja lernfähig!
    Liebe Grüße
    Von Herzen
    Dagmar 🙂

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Dagmar,
      tja, manchmal ist uns das Festhalten so vertraut und allein der Gedanke daran loszulassen – selbst Dinge oder Menschen, die nicht mehr in unser Leben passen – verursachen uns Pein. Du bist dieses Jahr schon einen entschiedenen Schritt weitergekommen.
      Alles Liebe
      Birgit

      Antworten
  5. gitti haas sagte:

    Liebe Birgit!
    Bei dem Satz AUSHALTEN BEDEUTET LEIDEN.HALTUNG BEDEUTET STÄRKE…hatte ich ein sogenanntes AHA Erlebnis.
    Ich war sowas von berührt! Danke!
    Liebe Grüße aus Österreich Gitti

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Gitti, gerne! Mir ist in besagter Yogastunde sehr viel klar geworden. Schön, dass ich das nun teilen kann.
      Alles Liebe – Birgit

      Antworten
  6. Edith sagte:

    Dir scheint ja vieles zu gelingen, v.a. Weil Du eine entsprechende Haltung einnimmst. Gib mir doch mal ein paar Tipps zu einer Haltung, eine schöne Wohnung zu finden . Gruß edith

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Edith,
      bereit sein ist alles. Bist du bereit? Dazu gehört, für die aktuelle Situation (Wohnung) Verantwortung zu übernehmen. Annehmen, was ist und dir klar sein über das, was du in dein Leben ziehen willst. Feiere eine Abschiedsparty, freue dich über die schönen Zeiten, die du in deiner jetzigen Wohnung verbracht hast.
      Schreib mir aus deiner neuen Wohnung 🙂
      Alles Liebe – Birgit

      Antworten
  7. ulla.oberle sagte:

    Ich habe eben meinem Mann häppchenweise Deine Zen-Tipps vorgelesen und sein Kommentar:
    „Ist der Schüler bereit, erscheint der Lehrer“. (bzw die Lehrerin 😉
    So wahr, ändern kann frau nur sich selbst, bzw. die innere Haltung. Keine leichte Übung, aber Dein Satz „Aushalten bedeutet Leiden, Haltung bedeutet Stärke“ beginnt zu wirken.
    Liebe Grüße
    Ulla

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Ulla,
      wir stehen uns immer selbst im Weg. Das zu erkennen tut manchmal weh. Aber nur kurz, denn dann werden wir mit freier Sicht belohnt.
      Liebe Grüße – auch an deinen Mann
      Birgit

      Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Sabrina,
      ich habe so einiges aufbewahrt, das ich irgendwann mal gebrauchen kann. Alte Knöpfe zum Beispiel, die schon meine Mutter für diesen Fall aufbewahrt hat. Eine Nähmaschine, obwohl ich damit gar nicht umgehen kann. Zeug, das mir eigentlich nur den Platz wegnimmt… Ich habe mir immer gesagt, das werfe ich nicht weg, denn irgendwann kann ich (oder jemand anderes) es noch gebrauchen.
      Das, so ist mir klar geworden, ist eine Haltung, die mangelndes Vertrauen ausdrückt. Was ist das für eine Botschaft an das Unterbewusstsein, dass ich KNÖPFE aufhebe???
      Worauf ich hinaus will: Gib dir JETZT die Erlaubnis das Chaos loszulassen, statt Knöpfe (Tipps) zu sammeln, um sie irgendwann einmal zu gebrauchen.

      Weil du es dir wert bist.
      Alles Liebe – Birgit

      Antworten
  8. Andrea Blank sagte:

    Danke Birgit für die Inspiration.
    Sehr gut. Ich habe beschlossen an meiner Haltung zu arbeiten, an meiner Haltung gegenüber Choas. Chaos wirft mich auch gerne mal aus der Bahn, ich werde hibbelig und übernehme mich, weil ich das Chaos mit aller Kraft schleunigst ordnen möchte.
    Königinnengleich meinem chaotische Königreich begegnen. Das hört sich besser an. Mit dieser Haltung steh ich drüber.
    Dann geh ich gleich mal meine Krone suchen.
    Liebe Grüße Andrea

    Antworten
    • Birgit sagte:

      Liebe Andrea,
      dann können wir einen Club der gekrönten Häupter gründen: Eine Leserin hat mir gerade geschrieben, dass sie diese Haltung während ärztlicher Untersuchungen und Wartezeiten auf Befundberichte einnehmen möchte, die sie bisher als zermürbend empfand. Das Bild mit der Lotusblume hilft ihr und der Spruch: Hinfallen, Krönchen richten, aufstehen, weitergehen…
      Alles Liebe
      Birgit

      Antworten

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